Für den aktuellen Heil- und Hilfsmittelreport der BARMER GEK wurde die Versorgung von chronischen Wunden im Bereich des Unterschenkels in den Jahren 2009 bis 2012 genauer untersucht. Das Ergebnis ist niederschmetternd: Allein im Jahr 2012 litten bundesweit rund 210.000 Menschen an derartigen Geschwüren.

Das entspricht in etwa 0,26% der Bevölkerung und ist damit deutlich höher als bislang angenommen. Die Zahl der Neuerkrankung steigt dabei pro Jahr um rund 50.000; insgesamt gehen neuere Schätzungen davon aus, dass hierzulande zwei Millionen Menschen an chronischen Wunden leiden, zu denen u.a. auch Druckgeschwüre oder das Diabetische Fußsyndrom (DFS) zählen.
Dazu kommt noch: In Deutschland leiden Patienten unnötig lange an chronischen Wunden. Anhand der Daten konnte aufgezeigt werden, dass es eine gravierende Unterversorgung bei Menschen gibt. So haben nur knapp 40% der Patienten, die an venös bedingten Unterschenkelgeschwüren litten, eine Kompressionstherapie erhalten. Eine Unterlassung, die sehr wohl als Behandlungsfehler gewertet werden kann.
Schnell stellt sich dann die Frage, wer dann die sprichwörtliche „Zeche“ zu zahlen hat. Denn nicht selten besteht in der Versorgungssituation ein besonderes Spannungsverhältnis zwischen den Beteiligten: Ärzte, (Wund-) Pflegekräfte, Apotheker, Home Carer, Kassen und nicht zu vergessen der Patient – da gibt es genug Potenzial für Fehler, Missverständnisse, bürokratische Hürden, rechtliche Implikationen usw.
Neue Sichtweise notwendig
Manchmal benötigt die Behandlung von Chronischen Wunden aber auch einfach nur eine neue Sichtweise. Einen Perspektivwechsel bieten die Vorträge des diesjährigen Interdisziplinären WundCongresses (IWC), der am 27. November 2014 in Köln stattfinden wird. Unter dem Titel „Wunden verstehen – Wunden heilen“ werden dann neue Innovationen, Konzepte und Lösungen im Modernen Wundmanagement der Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert.
Wie schon im Vorjahr wird der Interdisziplinäre WundCongress 2014 neben dem eigentlich Hauptprogramm auch vier spannende Satellitensymposien präsentieren. Diese setzen sich unter anderem mit Fragestellungen und Problemen rund um Thromboseprophylaxe, Biofilm, pH-Wert und multisresistenten Keimen auseinander.
Besucher der Veranstaltung können Fortbildungs- und Rezertifizierungspunkte der ICW, der DGfW, des Verbandes Deutscher Podologen, der Registrierung beruflicher Pflegenden und des Wundkompetenzzentrum Kammerlander geltend machen. Darüber hinaus wurde die Vergabe von Fortbildungspunkten durch die Ärztekammer Nordrhein beantragt.
Mehr zum Interdisziplinären WundCongres unter www.wundcongress.de.
Experten rufen auf dem Interdisziplinären WundCongress nach sicherer Datenlage und Nutzenbewertung in der Wundversorgung
„Eine anerkannte Evidenzlage hinsichtlich des Nutzens einzelner Wundauflagen wäre für alle Beteiligten wünschenswert“ – mit dieser deutlichen Aufforderung an die Wissenschaft hat der renommierte Wundmediziner Prof. Dr. Knut Kröger am Vormittag den 4. Interdisziplinären WundCongress (IWC) in Köln eröffnet. Mehr als 800 Wundmanager, Pflegende und Ärzte beschäftigten sich dort heute mit einer evidenzbasierten Grundlage für modernes Wundmanagement.

Eine solche anerkannte und fundierte Grundlage für die Arbeit der Wundmanager aus Pflege und Medizin sei zwar wünschenswert, aber derzeit weder vorhanden noch zu erreichen, betonte Prof. Kröger in seinem Eröffnungsvortrag. Wegen der fehlenden Grundlagen ändere daran auch die gut gemeinte Erarbeitung von Leitlinien nichts. Die Diskussion und Auswertung der bisher vorliegenden Studien zur Wirkungsweise einzelner Wundauflagen nannte Prof. Kröger einen „Disput um Pseudoevidenz“ und sprach sich stattdessen dafür aus, in die Ausbildung und Erfahrung der Wundexperten zu vertrauen.

IWC-Initiator Prof. Dr. Volker Großkopf hatte den diesjährigen Kongress unter den Titel „Quo vadis, Wundversorgung“ gestellt und die namhaften Referenten auf die Suche nach fundierten Grundlagen für die Arbeit der Wundexperten geschickt. Neben einer S3-Leitlinie zur Lokaltherapie chronischer Wunden wurde in Köln auch der DNQP-Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ erläutert und diskutiert. Dabei berichteten Praktiker wie die Wundexpertin der Kölner Uniklinik Ellen Schaperdoth über Erkenntnisse und Empfehlungen aus der Arbeit in bewährten interdisziplinären Wundnetzen.

Die juristische Perspektive des wie immer interdisziplinär ausgerichteten Kongresses nahm die Notwendigkeit und die Grundlagen einer rechtssicheren Wunddokumentation in den Blick, die neben fachlichen Aspekten auch datenschutzrechtliche Problemfelder beachten und lösen muss. Nicht zuletzt die abgesicherte Übertragung der digitalen Wundakte sowie der Patientendaten zwischen den einzelnen Akteuren eines Wundnetzes gehörte zu den zentralen Themen der Gespräche am Rande des Kongresses, dem sich auch zahlreiche Unternehmen in der angeschlossenen Industrieausstellung widmeten.
In mehreren Satellitenkongressen beschäftigten sich Mediziner und Pflegeexperten zudem mit neuen Erkenntnissen zu Themen wie Thrombose, Diabetischer Fuß oder Risikoerkennung bei der Behandlung chronischer Wunden.
Der Interdisziplinäre Wundcongress 2012 wird sich am 22. November kommenden Jahres einer „Qualitätssteigerung durch Wissensvorsprung“ widmen. Weitere Informationen unter: www.wundcongress.de
Expertenzahlen zeigen dringenden Handlungsbedarf auf.
Laut Untersuchungen des AQUA-Instituts sind im ersten Quartal 2010 rund 33.500 Patienten über 74 Jahre mit mindestens einem druckbedingten Gewebsdefekt (Dekubitus-Kategorie II bis IV) aus dem Krankenhaus entlassen worden. Das sind ca. 134.000 Patienten im Jahr. Geht man davon aus, dass 4,5% der Pflegebedürftigen in der Häuslichkeit mindestens einen Dekubitus aufweisen, dann wären das hochgerechnet auf 1,62 Millionen Pflegebedürftige ca. 73.000.
Dazu kämen noch die rund 700.000 in Pflegeheimen betreuten Pflegebedürftigen (Quelle: Destatis 2011). Somit leiden ca. 14.000 bis 21.000 Pflegeheimbewohner unter klinisch sichtbaren Druckschäden. Zählt man die bisher geschätzten Zahlen zusammen, dann kann man von etwa 220.000 Personen mit mindestens einem Dekubitus ausgehen. Darin sind nicht enthalten, alle Krankenhauspatienten unter 75 Jahren (z.B. Kinder) und Personen ohne Pflegestufe. Somit ergibt sich eine absolute Mindestanzahl von ca. 300.000 Dekubituswunden in Deutschland.
Nicht weniger erschreckend ist die Zahl von Amputationen infolge eines Diabetischen Fußsyndroms (DFS). So nannte Alexander Risse, Ärztlicher Leiter des Diabeteszentrums am Klinikum Dortmund kürzlich in einem Interview in der Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen (Ausgabe März/April 2011) eine Größenordnung von rund 30.000 Amputationen pro Jahr. Nach seiner Ansicht wäre eine Vielzahl dieser Amputationen vermeidbar, wenn flächendeckend Betreuungsstrukturen geschaffen werden würden, die die Vernetzung der zur Versorgung notwendigen Spezialisten zum Ziel haben.
Auch der diesjährige Interdisziplinäre WundCongress (IWC) greift diese Problematiken auf. Das Thema „Wunde“ wird hierzu aus vier Blickwinkeln betrachtet – und zwar aus dem rechtlichen, dem wirtschaftlichen, dem pflegerischen und dem medizinischen. Die Veranstalter freuen sich ganz besonders, dass Frau Leschik-Hähn als Referentin gewonnen werden konnte. Als Regionaldirektorin der AOK Rheinland/Hamburg wird sie Möglichkeiten aufzeigen eine sach- und fachgerechte Wundversorgung am Patienten über die wirtschaftlichen Zwänge hinweg zu gewährleisten. Weitere namhafte Referenten bereichern das Vortragsprogramm:
- Prof. Dr. Knut Kröger, Direktor der Klinik für Angiologie am Helios Klinikum Krefeld
- Steve Strupeit, Vizepräsident Pflege/Leiter AG Pflegentwicklung der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.V.
- Dirk Rothstein, Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt Arzt- und Pflegehaftungsrecht
- Ellen Schaperdoth, Wundmanagerin in der Uniklinik Köln
Der Interdisziplinäre WundCongress (IWC) hat sich als einer der wichtigsten und größten Informationsforen für wundspezifische Fragestellungen in Deutschland etabliert. Parallel zum Vortragsprogramm wird zudem eine große Industrieausstellung organisiert. Der IWC findet am 24. November 2011 in den traditionsreichen Sartory-Sälen in Köln statt.